Behörden wälzen Aufgaben zunehmend auf Steuerpflichtige ab. Deren Berater stemmen sich gegen die drohende Überlastung. Die besten Steuerprofis ermittelt hat das Institut SWI Finance.
Köln. Die Diagnose des Bundesjustizministeriums ist eindeutig. „Unsere Unternehmen leiden an einem Bürokratie-Burn-out“, heißt es dort. Man will es der Wirtschaft nun leichter machen – als „Konjunkturprogramm zum Nulltarif“ bezeichnet Bundesjustizminister Marco Buschmann die beflügelnde Wirkung eines Bürokratieabbaus. Dass dies in der Praxis gelingt, daran haben zumindest die Steuerberater Zweifel. Auf den Mitte Januar vorgelegten Entwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz reagierte die Bundessteuerberaterkammer mit Enttäuschung.
Allein die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege sei von zehn auf acht Jahre verkürzt worden. Zu wenig aus Sicht der Kammer. „Das Steuerrecht hat noch deutlich mehr Vereinfachungspotenzial“, sagte Präsident Hartmut Schwab. „Das ist nicht der große Wurf.“ Besonders der Mittelstand leide enorm unter „den oftmals unnötig komplexen steuerrechtlichen Regelungen“.
Eine Studie des Hamburger Instituts SWI Finance für das DeutschFinanz stützt die Kritik. Danach schreiben rund 68 Prozent der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Deutschland dem deutschen Steuerrecht eine hohe Komplexität zu. SWI hat fast 5000 Kanzleien zu den Herausforderungen ihrer Branche befragt. Ein weiteres Kernergebnis laut SWI-Geschäftsführer Marcus Schad: „Finanzbehörden lagern zunehmend Tätigkeiten auf die Steuerpflichtigen aus.“ 82 Prozent der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Deutschland berichten dies in der Studie.
Parallel zur Befragung hat SWI Finance „Deutschlands beste Steuerberater und Wirtschaftsprüfer“ ermittelt. Dazu wurden den teilnehmenden Kanzleien Fragen zu ihren Fachbereichen gestellt. Wer dabei besonders viele Punkte erreichte, schaffte es auf eine Bestenliste. Ausgezeichnet wurden 601 Steuerberatungs- und 115 Wirtschaftsprüfungskanzleien.
Durch die Verlagerung von Tätigkeiten der Behörden auf Steuerpflichtige steigt die Arbeitslast – mehr als die Hälfte der Kanzleien gibt dies in der Studie an. Viel Spielraum bleibt ihnen nicht. Auch der Deutsche Steuerberaterverband sieht das Problem. „Durch die zunehmende Verlagerung auf uns Berater werden unsere Ressourcen immer knapper. Wir setzen alles daran, die professionelle Beratungsqualität für unsere Mandanten sicherzustellen, erwarten aber im Gegenzug, dass dies bei der Festsetzung von Fristen angemessen berücksichtigt wird“, sagt Vizepräsident Gero Hagemeister.
Mehr als 85 Prozent der Befragten schätzen die Arbeitsbelastung ihrer Kanzlei laut SWI-Studie als hoch ein. Dass die Extraaufgaben durch Coronahilfen und Grundsteuerreform mittlerweile größtenteils abgearbeitet sind, hat kaum zur erhofften Entspannung der Lage geführt. „Zwar sinkt die unmittelbare Mehrbelastung“, erläutert Schad. „Es gibt aber erheblichen Nachholbedarf in der Mandatsbearbeitung und den Strukturanpassungen.“ Teils würden Mandantenanfragen von Kanzleien aufgrund von Kapazitätsproblemen abgelehnt oder der Mandantenstamm werde verkleinert.